ANDREAS MÖLZER
Fraktionsloses Mitglied des Europäischen Parlaments

Spezialinformation: Problemstaat Griechenland regiert die EU

 

Wird sich das griechische Chaos auf ganz Europa übertragen?
 

Es wird wohl eine außergewöhnliche Ratspräsidentschaft werden. Nicht zum ersten Mal führt Griechenland die EU-Geschäfte, indes weht diesmal ein rauer Wind. Denn diesmal rückt man als Land ins Rampenlicht, das wie kein anderes die Staatsschuldenkrise symbolisiert und dessen Bevölkerung die Zeche für Korruption und andere Missstände zahlen muss. Einmalig ist wohl, dass die Vorsitzübernahme nicht nur von einer Demonstration gegen die EU, sondern auch von einem Anschlag auf den deutschen Botschafter in Athen überschattet wurde. Und zum traditionellen Auftakt im Europäischen Parlament haben die Parlamentarier auch gleich weitere Reformen (etwa hinsichtlich Vetternwirtschaft) von Athen verlangt.

Die Griechen wollen mit ihrer Präsidentschaft zeigen, dass sie ein vollwertiges EU-Mitglied sind. Und einen Imagewandel hat Athen auch dringend nötig. Immerhin haben die Griechen bei der Bewältigung der Krise bis dato alles andere als geglänzt. Nicht nur innenpolitisch ist ein Erfolg wichtig, drängen doch der Druck seitens der Opposition und die Forderungen der Kreditgeber die Regierung an den Rand des Sturzes. Der Vorsitz soll also zum Wendepunkt in der griechischen Wirtschafts- und Schuldenkrise werden.

Entwicklungshilfe für Hellas Archillesferse(n)

Großspurig treten manche griechische Politiker noch immer auf, so auch beim Antritt ihrer Rats-Präsidentschaft. Das mundet schon seltsam an bei einem Land, dessen 320 Milliarden Euro Schulden noch immer fast 176 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung ausmachen und dessen Politik und Verwaltung sich noch immer schwer tun bei Reformen.

Nach wie vor fehlen elementare Voraussetzungen wie ein landesweites Flächen-Kataster. Die einstige Wiege der Demokratie bekommt heute Intensivpflege: Die Konzepte für die Neuordnung der Ministerien stehen unter der Federführung der Franzosen, jene für den Wintertourismus stammen aus Österreich, die Belgier helfen beim Bildungssystem und die Holländer planen die Außenhandelsagentur. Intereuropäische Entwicklungshilfe sozusagen.

Und nun sollen die chaotischen Griechen die Verantwortung für die EU-Führung übernehmen? Dank Osterfest und EU-Wahlen bleibt effektiv nur etwas mehr als drei Monate Zeit für den griechischen Einsatz. Allzu viel kann da (hoffentlich?) nicht passieren…


Hellas Schwerpunkte

Ganz von selbst stehen Förderung von Wachstum, Beschäftigung und Kohäsion sowie Vertiefung der Europäischen Union, insbesondere der Wirtschafts- und Währungsunion als Schwerpunkte auf dem Athener Programm. Sind sie doch von besonderer Bedeutung für Hellas. Nachdem Griechenland seit 2004 zum Hauptanlaufpunkt in der Europäischen Union für Migranten geworden ist, wundert wenig, dass die Förderung legaler und die Eindämmung illegaler Migration ein wichtiger Punkt auf der Agenda der Griechen ist.

Das griechische Engagement zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ist eine Konsequenz der wirtschaftlichen Realitäten daheim. Finden doch gut die Hälfte aller Jugendlichen in Griechenland keinen Job. Dass die soziale Komponente in den Vordergrund gerückt wird ist angesichts der griechischen Rekordarbeitslosenzahlen kein Wunder. Weniger ein europäisches als vielmehr ein griechisches Anliegen stellt indes der Schwerpunkt integrierte Maritime Politik dar, bei dem Bodenschätze und wirtschaftliche Ressourcen der Meere im Vordergrund stehen.


Weitere finanzielle Hilfen für Griechenland?

Dass im Frühjahr die nächsten Milliardenkredite nötig sein könnten, davon will die griechische Regierung nichts wissen. Vielmehr sei man in ein paar Monaten aus dem Ärgsten heraus. Immerhin wird für 2014 erstmals seit sechs Jahren ein kleines Wachstum der griechischen Wirtschaft prognostiziert.

Milliardenschwere Notkredite der Europartner, die Griechenland über Wasser halten und dafür drastische Sparmaßnahmen einfordern – damit soll nun Schluss sein. So sollen neue, wohl noch härtere Sparauflagen, vermieden werden. Nach dem Auslaufen der internationalen Hilfsprogramme will man lieber ohne weitere Hilfe auskommen. Ganz so einfach wird es wohl nicht, den Euro-Rettungsschirm nach vier Jahren zu verlassen. Noch lange wird das Land an den Krediten der EU-Staaten und des IWF zu knabbern haben.
 
Nachdem ein zweiter Schuldenerlass kategorisch ausgeschlossen wurde, wollen die Griechen von den Eurostaaten Schuldenerleichterungen wie längere Laufzeiten und niedrigere Zinsen für bereits ausgezahlte Hilfskredite. Auf diese Weise könnte Athen eine Finanzierungslücke im Haushalt von rund 11 Milliarden Euro schließen. So jedenfalls lautet die Rechnung. Und Europa soll da einmal mehr brav in die Bresche springen. Sonst könnte, so Minister Venizelos „eine breite Front antieuropäischer Kräfte von ganz links bis ganz rechts“ an die Macht kommen, die eine Rückzahlung der EU-Hilfskredite ablehne. Auch dafür, also um die Schuldenerleichterungen besser durchzubringen, lässt sich die griechische Führungszeit sicher gut nutzen.


Vorsitz soll (Athen) möglichst nichts kosten

Das Land mit den höchsten Schulden Europas will die Ratspräsidentschaft möglichst billig abwickeln. Statt neuer Einstellungen sollen vorhandene Beamte sämtliche Arbeiten erledigen. 137 Sachbearbeiter sollen das Arbeitspensum schaffen. Zum Vergleich: Polen verwendete im Jahr 2011 300, Zypern kam 2012 mit 250 Sachbearbeitern aus. Die 14.500 erwarteten offiziellen Besucher sollen – anders als sonst – ihre Anreise selbst bezahlen.

Während 2001 bereits die griechische Werbetrommel für die zwei Jahre später stattfindende Vorsitzführung gerührt wurde, hat man diesmal Sponsoren für EDV und Co. gesucht. Und die werden sich sicher unter den US-amerikanischen Firmen gefunden haben. Das dürfte es den USA diesmal wesentlich leichter machen, ihre europäischen Partner auszuspionieren.


Keine Abkehr vom EU-Fehlkurs zu erwarten

Fest steht, von einem Land, welches derart unter der EU-Knute gehalten wird, steht eine Weiterführung diverser EU-Irrwege zu erwarten. In den nächsten sechs Monaten werden keine Weichen gestellt werden, um den Fehlentwicklungen Einhalt zu gebieten. Und damit wird der pragmatische Kurs Litauens, welches bis zum Jahreswechsel die Vorsitzführung innehatte, nahtlos fortgesetzt.

Auch wenn die EU-Vorsitzführung für ein kleines Land eine große Herausforderung sein mag, letztendlich hat Vilnius die Chance vertan, den Fehlentwicklungen ein Ende zu setzen. Die Regeln zur Bankenrettung sind auf halbem Weg steckengeblieben. Ebenso wenig punkten konnte Litauen beim Chaos rund um den mehrjährigen Finanzrahmen, und die Ausplünderung der wohlhabenden nordeuropäischen Volkswirtschaften wurde fortgesetzt.

Der sich nun regende Widerstand gegen das mit den USA geplante Freihandelsabkommen, welches realistisch betrachtet nicht einmal im Interesse Europas liegt, ist auch kein Verdienst Litauens. Ebenso wenig hat Griechenland ein Scherflein beigetragen. Eine Durchsetzung der Europäischen Bankenunion ist nur sinnvoll, wenn eine klare Trennung von traditionellem Bankgeschäft und dem riskanten und hochspekulativen Investmentbanking kommt. Von jemandem, der am Gängelband internationaler Kreditgeber geführt wird, kann in dieser Hinsicht wohl kaum etwas erwartet werden. Und so werden Zentralismus, Bürokratismus und die Brüsseler Machtgier wohl in der griechischen Ägide weiter fröhliche Urständ feiern. Aber bald sind ja EU-Wahlen. Und dann können die Bürger dem Irrsinn Einhalt gebieten, indem sie ihre Stimme Euro-kritische Parteien geben...

 

 

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